Personenschadenersatz in Belgien
LENTZ, „Personenschadenersatz in Belgien“, DAR, 2009, S. 606
Als Richtlinie für die Entschädigung bei fehlerhaften Handlungen, also z.B. auch bei Verkehrsunfällen, dient in Belgien die sogenannte „indikative Tabelle“, die im Folgenden anhand aktueller Rechtsprechung näher erläutert wird.
I. Die Haftungsgrundlage
a. Nach Art. 1382 des belgischen ZGB muss jede Person, die durch eine fehlerhafte Handlung einer anderen Person einen Schaden zufügt, Schadenersatzansprüche leisten. Hierbei obliegt es der geschädigten Person, den Nachweis zu erbringen, dass die Gegenpartei einen Fehler begangen hat und dass ihr selbst ein Schaden entstanden ist, der im ursächlichen Zusammenhang zu dem Fehler des Gegners steht.
In anderen Worten: das Unfallopfer muss nachweisen, dass sein Schaden durch den Fehler der Gegenpartei entstanden ist.
b. Die sogenannten „schwachen Verkehrsteilnehmer“ werden unabhängig von der Schuldfrage für alle Körperschäden entschädigt. Diesen Personen haben gemäß Art. 29bis des Gesetzes vom 21.11.1989, vervollständigt durch das Gesetz vom 19.1.2001 Anrecht, ihre Schadenersatzansprüche zu stellen für alle Körperschäden (unter anderem das Schmerzensgeld, der Einkommensverlust, die Rückvergütung der medizinischen Kosten, usw. unter Ausschluss lediglich der rein materiellen Schäden, wie z.B. die Schäden am Fahrzeug, die Abschleppkosten, usw. (…)
II. Der Schadensumfang – die indikative Tabelle
Die zuständigen Gerichte in Belgien sind befugt, für jeden konkreten Fall die Entschädigungen nach freiem richterlichen Ermessen festzulegen, so dass für verschiedene Schadensposten die Rechtsprechung in Belgien unterschiedlich ist.
Als Richtlinie sowohl für die geschädigten Personen, als auch für die Gerichte, sowie für die Versicherungsgesellschaften bei einer außergerichtlichen Entschädigung dient die sogenannte „indikative Tabelle“. Es handelt sich hierbei um eine Auflistung der verschiedenen Schadenersatzansprüche, die gefordert werden können. Diese Tabelle wird durch eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Anwaltskammern, der Vereinigung der Richter und der Vereinigung der Versicherungsgesellschaften erstellt. Sie hat jedoch lediglich einen hinweisenden Charakter und ist keinesfalls verbindlich. Die Gerichte sind soit nicht verpflichtet, diese indikative Tabelle zu berücksichtigen. Oftmals fallen die Entschädigungen, die die Gerichte gewähren für verschiedene Schadensposten wesentlcich höher aus als die Summen, die in der indikativen Tabelle vorgesehen sind. Es obliegt somit der geschädigten Person, bzw. des Rechtsvertreters des Unfallopfers durch eine gute Kenntnis der belgischen Rechtsprechung für verschiedene Schadensposten von der indikativen Tabelle abzuweichen und weitaus höhere Forderungen zu stellen.
Die Versicherungsgesellschaften in Belgien halten sich meistens streng an die Entschädigungen, die in dieser indikativen Tabelle vorgesehen sind oder bieten gar eine geringere Entschädigung dem Unfallopfer an. Insbesondere bei einer außergerichtlichen Entschädigung ist es daher wichtig die Versicherungsgesellschaften darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung für verschiedene Schadensposten weitaus höhere Entschädigungen vorsieht.
Die letzte indikative Tabelle wurde am 14.10.2008 veröffentlicht.
Im nachfolgenden Beitrag versucht der Auto nach Möglichkeit einen Vergleich vorzunehmen zwischen den Summen, di in der indikativen Tabelle vorgesehen sind un den Entschädigungen, die die Rechtsprechung gewährt.
Dieser Beitrag erhebt keinesfalls den Anspruch der Vollständigkeit.
III. Der Personenschaden
Erleidet eine Person durch einen Verkehrsunfall Verletzungen, so har das Unfallopfer Anrecht auf folgende Schadenersatzansprüche:
- Die Rückerstattung der Unkosten
- Einen Schadenersatz für den moralischen und den materiellen Schaden während der zeitweiligen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität
- Einen Schadenersatz für den moralischen und den materiellen schaden für die Dauerinvalidität und / oder die Dauerarbeitsunfähigkeit
- Für die Erben des verstorbenen Verkehrsopfers, eine moralische Entschädigung für das Ableben des Verstobenen und eine materielle Entschädigung für den Einkommensverlust und die Beerdigungskosten
1. Die Rückerstattung der Unkosten
1.1 Die Arzt- und Arzneikosten sowie alle anderen medizinischen Kosten
Das Unfallopfer hat Anrecht auf Rückerstattung aller Kosten, die durch den Unfall verursacht wurden unter der Voraussetzung, dass diese Kosten auch effektiv nachgewiesen werden und im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall stehen. Lediglich die Eigenbeteiligung des Unfallopfers wird erstattet, da in den meisten Fällen die Krankenkassen einen großen Teil der Kosten übernehmen. Daher muss der Beleg der anteilmäßigen Rückvergütung der Kosten durch die Krankenkasse vorgelegt werden, bevor das Unfallopfer den Eigenanteil fordern kann.
N.B.: Der Autor möchte darauf hinweisen, dass seit der Veröffentlichung des Artikels die „indikative Tabelle“ bereits mehrmals angepasst wurde, zuletzt im Frühjahr 2017.
Veröffentlichungen des gleichen Autors in
DAR, August 2003, S. 347: „Straßenverkehrsangelegenheiten in BELGIEN“
SVR 8/2008, S. 317: „Die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltshonorare in BELGIEN“
DAR, Oktober 2009, S. 606: „Personenschadenersatz in BELGIEN“
DAR 5/2015, S. 248: „Unfallschadensrecht in Belgien“
SVR, 2005, S. 201: „Das belgische Schadenersatzrecht bei Verkehrsunfällen“